DIE GRENZEN DER DDR                                                                                                                                                                                        

Beruhend auf völker- und staatsrechtliche Grundlagen definierte die DDR in Form seiner staatliche Souveränität ihre Gebietshoheit an der eigenen Staatsgrenze (insgesamt 2.756,8 km lang): 

  • 322,9 km - Küsten-Basislinie (Nord - 167 sm Länge der äußeren Grenze der Territorialgewässer bei einer Breite von 3 sm. Wobei das Territorialgewässer 1984 von drei auf - die international üblichen - zwölf Seemeilen ausgedehnt wird.) 
  • 430,9 km – Grenze zur VR Polen (Ost)
  • 450,1 km – Grenze zur CSSR (Süd-Ost)
  • 1.391,9 km – Grenze zur BRD (Süd-West / West)
  • 43,7 km - innerstädtisch und 112,7 km Umland– Grenze zu West-Berlin (Enklave) 

Kennzeichnungen und Markierungen der DDR-Staatsgrenze - links an der Grenze zur BRD und rechts zur CSSR. (Abbildung aus "Handburch für den Grenzdienst" - Privatarchiv d. Verf.)

Die drei Ausführungsarten der Staatsembleme (je ca. 21x 27 cm) an den DDR-Grenzsäulen zur BRD. Links Aluminiumgußemblem (mit freundlicher Genehmigung der Privatsammlung S. Beier) noch ohne Staatswappen und ohne Schriftzug "Deutschen Demokratischen Republik". Mitte in der Kunstharzmehrschichtplatten in der Ausführungsart der 1960er Jahren. Rechts der typische Aluminiumguss ab den 1970er Jahren. Die letzte Ausführung mit verdeckter Befestigung wird eingeführt, da "feindseitige" Souvenierjäger und Provokateure die verschraubten Mehrschichtschilder häufig demontieren bzw. beschädigen. ( Privatarchiv d. Verf.)

Gefräste Mehrschichttafel (rechts) mit der Grenzsäulen-Nr. "2330" - angebracht auf der Rückseite der DDR-Grenzsäule, hier im Grenzabschnitt der 4. GK (Neuhaus-Schierschnitz) im GR-15. Auf den Meßblättern des Militärtopographischen Dienst des Ministeriums für Nationale Verteidigung (hier Blatt M-32-71 Kulmbach - Ausgabe 1985) sind die Grenzsäulennummern zur exakten Standortbestimmung festgehalten. ( Privatarchiv d. Verf.)

Trotz BGS-Warnschilder auf der BRD-seite stellt sich eine unvorsichtigen Mutter mit Kind unmittelbar an einer DDR-Grenzsäule. Die Säulen befinden sich in der Regel zwischen 2-5m hinter dem eigentlichen DDR-Grenzverlauf. Die beiden Personen befinden sich faktisch auf DDR-Gebiet; in der GT-Dienstsprache handelt es sich bei dieser Situation schon um eine "Grenzverletzung". Das Foto wird um 1985 durch einen Grenzaufklärer im GR-15 erstellt. Gut zu erkennen ist die Grenzsäulennummer auf der Rückseite der Grenzsäule. Die Säulen selbst trägt häufig als oberen Abschluss einen mittigen Stahlstab, dieser soll Vögel davon abhalten, sich auf den Säulen abzusetzten und so die Säule evtl. zu verschmutzen. Grundsätzliche wird die o.g. Grenzsäulennummer zur Lokalisierung von Vorgängen immer in den Berichten und Fotos als "GS-Nr." angegeben. Die links oben abgebildete schwarze Grenzsäulennummertafel ist eine Ersatztafel für Grenzaufklärer bei Ersatzmaßnahmen an beschädigter bzw. entwendeter Kennzeichnungen. ( Privatarchiv d. Verf.)

  

Die völkerrechtliche Herausbildung der Staatsgrenze der DDR beruhte auf das Protokoll zum Abkommen zwischen der Regierung der UdSSR, der USA, Großbritannien und Frankreich über die Besatzungszonen in Deutschland und die Verwaltung von „Groß-Berlin“ vom 12.09.1944 (European Advisory Commission, EAC-Sitzung in London) sowie dessen Ergänzungen vom 14.11.1944 (1. EAC-Ergänzung) und 26.07.1945 (2. EAC-Ergänzung). Wobei Deutschland innerhalb seiner Grenzen, wie sie am 31.12.1937 bestehen, für Besatzungszwecke in vier Zonen aufgeteilt, und von denen jeder der vier Mächte eine zugeteilt wird. Berlin wiederum wird als besonderes Gebiet  - entsprechend der Bezirke von „Groß-Berlin“ gemäß des Amtsblattes der Reichshauptstadt Nr. 13, vom 27.03.1938 - von allen vier Mächten  nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Truppen gemeinsam besetzt.  

Des Weiteren ist für die historische Bestimmung der Staatsgrenzen der DDR die Mitteilung über die Dreimächtekonferenz von Berlin „Potsdamer Abkommen“ vom 02.08.1945 ausschlaggebend. Die Oberhäupter der drei Besatzungsregierungen (UdSSR, USA und Großbritannien) stimmen darin überein, dass bis zur endgültigen Festlegung der Westgrenze Polens, die früheren deutschen Gebiete östlich der Linie, die von der Ostsee unmittelbar westlich von Swinemünde und von dort die Oder entlang bis zur Einmündung der westlichen Neiße und folgend dem Neißeverlauf bis zur tschechoslowakischen Grenze verläuft, einschließlich des Teils Ostpreußens, der nicht unter die Verwaltung der UdSSR (heutiger "Oblast Kaliningrad") und einschließlich der früheren Freien Stadt Danzig unter der Verwaltung des polnischen Staates und somit  nicht als sowjetische Besatzungszone in Deutschland zu betrachten ist.

Die Bestimmung des Grenzverlaufs sind nicht immer geklärt. Besonders auf den Binnengewässern gibt es immer wieder Uneinigkeiten. So z.B. auch auf der Elbe (zwischen Kilometer 472,6 bis 566,3 im Flussabschnitt zwischen Schnackenburg – Lauenburg). Nach den ersten Festlegungen der Alliierten (Londoner Protokoll vom 12. September 1944) soll die Grenzlinie am nördlichen - also auf SBZ-Seite - Ufer verlaufen. Auf  Anfrage der Bundesregierung an den britischen Frontier-Service am 2. August 1952 wird erklärt, daß "der britische Standpunkt immer der gewesen ist, daß die Demarkationslinie am Nordufer verläuft". Mit Übergabe der Staatsgewalt an Bonn am 25. Mai 1950 gehen die Hoheitsrechte der westlichen Besatzungsmächte in ihren Zonen an Bonn über, damit auch der in der britischen Zone gelegene Elbabschnitt mit allen Kontrollrechten auf der gesamten Stombreite. Die DDR beruft sich aber zeitgleich auf die allgemeinen völkerrechtlichen Bestimmungen, nach der die tiefste Stelle eines fließenden Gewässers – die sogenannten Grube – den Grenzverlauf bildet, wenn es keine anderen Vereinbarungen zwischen zwei Staaten gibt. Die Grube liegt bei der Elbe etwa in der Flussmitte. Die BRD argumentiert, daß es hierbei nicht um eine völkerrechtlliche Frage gehe, sondern allein um die Interpretation des Willens der Alliierten. Die DDR wiederum erwidert, daß mit dem Tage der Gründung der BRD und DDR der Wille der Alliierten nicht mehr, sondern das Völkerrecht als höherrangig geltendes Recht, entscheidend ist. Beide Seiten provozieren in diesem Streit immer wiederkehrend eine Eskalation; besonders am 18. Oktober 1966 ("Kugelbake-Konflikt") und am 29. Juli 1977 durch DDR-seitig unabgestimmte Setzung von Grenzmarkierungstonnen auf Flußmitte, welche kurz darauf wieder entfernt werden mussten.

Auch heute noch stellt sich immer wieder die Fragen zu Begründung der besonderen Sicherung der ehemaligen Zonengrenze, der späteren Staatsgrenze zwischen der BRD und der DDR (1945-1990) bzw. der Teilung Berlins (1961-1990). Nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland und in Europa wird das europäische Territorium sehr schnell in zwei politische und militärische Machtssysteme getrennt. Besonders die Grenzen der sozialistischen DDR und Tschechoslowakei unmittelbar zur kapitalistischen BRD und Westberlin wird zur Trennlinie zwischen diesen beiden Systemen. In der Zeit des „Kalten Krieges" erwächst zwischen den militärischen Bündnissen „NATO“ und „Warschauer Pakt“ so der „Eisernen Vorhang“. In dieser militärstrategischen Bedeutung definierte sich Platz, Rolle und Aufgaben der Deutschen Grenzpolizei / Grenztruppen im System der militärischen Bündnisverpflichtung und Landesverteidigung der DDR. 

Die Aussichtlosigkeit und Sinnlosigkeit eines Kernwaffenkrieges läßt die Wahrscheinlichkeit eines konventionellen Kriegsverlaufs – oder zumindest eines konventionellen Kriegsbeginns – immer weiter wachsen. Beidseitig der Trennlinie zwischen Ost und West wird aufgerüstet; der Grenzverlauf ist Verteidigungs- und Angriffslinie zugleich. Auf Seite der BRD sind 23 Heeresdivisionen der NATO und auf dem DDR-Territorium 18 GSSD- sowie 6 NVA-Divisionen stationiert.

Die Sowjetunion erinnerte sich bleiernd an den bitteren Erfahrungen zu Beginn des Großen Vaterländischen Krieges (1941-1945). Der eigene grenznahe Raum ist zu Beginn des Überfalls der Deutschen Wehrmacht nicht ausgebaut, und die sowjetischen Grenztruppen sind zur Führung von Gefechtshandlungen nicht hinreichend ausgebildet. Auch die folgenden Verteidigungslinien der sowjetischen Landstreitkräfte werden durch die deutschen Truppen zu Beginn dieses Angriffs überrannt. Auf Grundlage dieser historischen Erfahrung und strategischen Vermutung sollen die Grenztruppen der DDR an der Trennlinie zwischen Ost und West zur Anfangsperiode eines von einem potenziellen Aggressor mit konventionellen Waffen überraschend ausgelösten Zwischenfalls, einer Provokation, einer Grenzverletzung, eines Grenzkonflikts oder eines Krieges die unmittelbare Abwehr und Verteidigung übernehmen. Im Zusammenwirken mit der NVA und der GSSD solle ggf. die Deckungs- und Verteidigungsgruppierungen des Warschauer Pakts anschließend formiert und der militärische Gegenschlag ausgeübt werden. 


Die GT sollen hiernach:

  • die Unverletzlichkeit der Staatsgrenze zu jeder Zeit zu gewährleiten.
  • Grenzprovokatitionen nicht zulassen.
  • die im Grenzgebiet der DDR zur BRD und zu Berlin-West festgelegten Ordnungen aufrecht erhalten.
  • das Leben und das Eigentum der Bevölkerung sowie das Volkseigentum in den Grenzgebieten schützen
  • einen reibungslosen, grenzüberschreitenden Verkehr in Hinsicht der erforderlichen Ruhe und Sicherheit gewährleisten. 

Somit hat die GT Aktivitäten von Kräften der NATO und der BRD ständig aufzuklären, die Sicherheit und Ordnung im eigenen Grenzgebiet und des Waren- / Personenverkehrs an den Grenzübergangsstellen ständig zu gewährleisten sowie Grenzprovokationen, beiderseitige Grenzverletzungen bzw. –durchbrüche und Einbrüche im eigenen Grenzterritorium abzuwehren bzw. zu verhindern.  

An dieser Stelle sei nicht verschwiegen, dass nach Angaben der „Arbeitsgemeinschaft 13. August e.V.“ zwischen den vierzig Jahren des DDR-Existenz (1949 bis 1989) an der Berliner Grenze 202 Personen, an der DDR-Westgrenze 331 Personen, bei Ostseefluchten 181 und an den Westgrenzen von sozialistischen Drittländern 51 Personen ums Leben gekommen sind. Die Todesfälle sind durch Minen- und Selbstschussanlagen, gezielte Schüsse, Kräfteverlust und Herzversagen verursacht worden. Einige wenige Flüchtlinge begehen in Angesicht ihres Scheiterns aber auch Selbstmord. Die o.g. AG-Todesfallangaben sind bisher nicht wissenschaftlich abschließend aufgearbeitet und bestätigt. So sollten diese Angaben als Annäherung zur äußerst traurigen Geschichte der Opfer der innerdeutschen Grenze angesehen werden. Ebenfalls nicht verschwiegen sein sollen - die zur DDR-Zeit sicherlich zu Helden stilisierten GT-Angehörigen (z.B. Uffz. Egon Schultz) - die uniformierten  Grenzopfer auf der DDR-Seite; 27 Männer im Dienst der DGP bzw. GT lassen ihr Leben im Grenzdienst zur Zeit des Kalten Krieges. 

 


Quelle:

- "Wo sie gefallen sind, stehen wir", Politische Verwaltung der Grenztruppen der DDR, 1983

- "Handbuch für den Grenzdienst", Militärverlag der DDR, Berlin 1987

- Ralp-Ingo Unger "Grenzbrigade Küste", Militärverlag, Berlin 2011

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