BAULICHE GRENZANLAGEN und DIENSTALLTAG

(Anlagenbeschreibung um 1988)

 

Im Sperrgebiet

Vor dem Grenzsignalzaun an der Schwelle zwischen Sperrgebiet (bis zu 3km tief) und Schutzstreifen (bis zu 500m tief) befindet sich das Kontrollterritorium der dort gemeinsam wirkenden Kräfte, der Grenztruppen, der Abschnittsbevollmächtigte der DVP, die Freiwilligen Helfer der Grenztruppen (FHG) und des MfS. Bautechnisch gibt es im Sperrgebiet keine durchgehenden Grenzzäune, Mauern und Signalanlagen. An besonders unübersichtlichen Stellen bzw. verkehrsreichen Stellen sind zur Bewegungsleitung und -verzögerung aber auch im Sperrgebiet 1,5 - 2m hohe einfache Maschendrahtzäune mit Betonpfosten teilweise mit Stacheldraht errichtet. In regelmäßigen Abständen an der Sperrgebietsgrenze sowie an Wegen und Straßen sind schwarz-weiße bzw. gelb-weiße Schilder (60 x 40 cm, mit der Aufschrift: „Sperrgebiet - Unbefugt ist das Betreten, Befahren und die bildliche Darstellung verboten. Zuwiderhandlungen werden bestraft “ oder „Grenzgebiet Sperrzone – Betreten und Befahren verboten“) an Betonpfählen errichtet. An den freigegebenen Verkehrswegen zum Sperrgebiet gibt es i.d.R Fertigteil-Kontrollpostengebäude des VPKA („Gruppenposten Grenze“) mit zweigeteilten Schwenkschlagbäumen. Zum Passieren muss hier jede Person einen gültigen Passierschein (dieser ist beim zuständigen Abtl. „Pass- und Meldewesen“ im zuständigen VPKA vorab zu beantragen) für das Sperrgebiet bzw. den Schutzstreifen, den Personalausweis und ggf. Fahrzeugpapiere bzw. besondere Genehmigungen dem Posten der DVP vorweisen; der wachhabende Polizeiposten hält alle aktuellen Passierunterlagen in seinen täglichen Dienstunterlagen vor. Im freien Gelände und in gut bzw. weit ein sichtbaren Bereichen des Sperrgebiets stehen in regelmäßigen Abständen schlanke, vier-geschossige Beobachtungstürme (diese sind allerdings nur sporadisch und unter besonderer Anforderung bei „verstärkte Grenzsicherung“ von der DVP besetzt). Die Bewohner und Besucher im gesamten Sperrgebiet mussten sich ständig ausweisen können. Die Besucher haben hierzu zusätzlich zeitlich begrenzte Passierscheine und die Bewohner ebenfalls zeitlich begrenzte Einträge in Ihren Personalausweisen. Bürgern der BRD war die Einreise im Grenzgebiet grundsätzlich untersagt. Das Verhalten der Bevölkerung wurde ständig überwacht und ausgewertet. Unübliche Ereignisse und fremde Personen mussten von der gesamten Bevölkerung und den gemeinsam wirkenden Kräften sofort gemeldet werden. Ortsfremde Personen wurden häufig auf gültigen Personal- und Fahrzeugpapiere kontrolliert.

"Guten Tag, Bitte ihre Dokumente!" - Personal- und Fahrzeugkontrolle durch AGT im Sperrgebiet bei Lenzen. Rechts, ein DVP-Abschmittsbevollmächtigter im Gespräch mit einer GT-Motorradstreife in einem Ort des GKN in der Nähe zum Harz. (Privatarchiv d. Verf.)

 

Im Sperrgebiet an der Staatsgrenze zur BRD befinden sich immer die Unterkünfte der Grenzkompanien (GK - ca. 100 AGT) und i.d. Regel die Unterkünfte der Grenzbataillone (GB - ca.400 AGT). Besonders ausgebildete und politisch zuverlässige Unteroffiziere und Fähnriche der GT werden im gesamten Grenzgebiet bis zum feindwärts vorgelagerten Hoheitsbereich als selbstständig und unregelmäßig agierende Grenzaufklärer (GAK) eingesetzt. Die GAK sind mit einer Stärke von bis zu 16 Mann den GK zugeordent. Neben den Angehörigen der polizeilichen und militärisch gemeinsam wirkenden Kräfte werden auch Zivilpersonen in das Kontrollsystem im Sperrgebiet eingebunden. Die uniformierte (gut an der grünen Armbinde zu erkennen) aber unbewaffnete FHG sind auch nachts unterwegs. Zu jeder GK gehören acht FHG. Der MfS spielt bei der Überwachung im Grenzgebiet eine zentrale Rolle. Mitarbeiter der HAI des MfS in den Uniformen der GT eingekleidet sind in den Grenzkommandos sowie den nachgeschalteten Grenzregimentern und –bataillonen untergebracht. IM´s beobachten schon vor der Einberufung jungen Grenzsoldaten und überwachen diese verdeckt in den Grenzausbildungsregimentern und später in den GK. Zusätzlich sind auch die MfS-Dienststellen in den Grenzkreisen entlang der Staatsgrenze in den Grenzüberwachungsapparat integriert; sie unterhalten zusätzlich in den Ortschaften im Grenzgebiet eigene IM´s.

 

Am Schutzstreifenzaun

In regelmäßigen Abständen sind gelb-schwarze Schilder (60 x 40 cm, mit der Aufschrift: „Schutzstreifen – Betreten und Befahren verboten“ bzw. „Schutzstreifen – Betreten und Befahren nur mit Sondergenehmigung gestattet“) an Betonpfählen freundseitig errichtet. Schon zu Beginn der 1960er Jahre entsteht an besonders fluchtgefährdeten Abschnitten, neben den Sperrelementen in unmittelbarer Nähe zur Grenzlinie, ein Sperrzaun (Stacheldrahtreihen  zwischen Betonpfosten), der den Übergang zwischen dem Sperrgebiet und den Schutzstreifen zusätzlich sichern wird. Das von der eigentlichen Grenze weit rückgelagerte Sperrelement erweist sich als zuverlässig. Der durchgängige Ausbau dieses Sperrelements (Grenzzaun II – „GZ II“) wird schon zu Anfang der 1970er Jahre erreicht sein. Bis zum Ende der 1980er Jahre entwickelt sich dieser Schutzstreifenzaun zum wichtigsten Sperrelement mit der Bezeichnung „Grenzsicherungs- und Signalzaun“ (GSSZ). Die wesentlichen Bestandteile dieses 2,40m hohen Zaunelements sind: 

 

  • der freundseitig direkt  vorgelagerte, geeggte 2-m-Spurenkontrollstreifen (K-2) vor dem Zaunelement,
  • die Untergrabungssperren an der Zaunbasis durch ca. 50cm tief im Erdreich versenkte Betonwabenplatten,
  • die zwei übereinander verschraubten Streckmetallzaunplattenlagen an den freundseitig zugeordneten Betonpfählen. Zusätzlich sind an den Pfählen beigefarbenen Isolatoren als Abstandshalter für 24 Stck. waagerecht verlegte Chrom-Nickel-Stacheldrahtlagen (Abstand 15 cm) montiert,
  • Y-Abweiser aus feuerverzinktem Stahlblech mit Isolatoren als Spannelemente für 4 Stck. Stacheldrahtlagen auf der Zaunkrone an den Betonpfosten verschraubt. Zwischen diesen Y-Abweisern sind an bis zu 10 Stck. Betonpfosten beidseitig Glasfaserstäbe mit Isolatorenösen als Abstandshalter angeordnet. Bei Untersuchungen von erfolgreichen Grenzdurchbrüchen wird festgestellt, dass die o.g. Spannelemente zu stabil sind und den Überwindenden Halt geben. Später werden diese Stahlbleche angesägt, um bei Belastung einen Abbruch erfolgen zu lassen. Zur Verhinderung von Fehlalarm wurden teilweise zusätzliche Wild- und Vogelabweiser durch weitere Glasfaserstäbe mit Stacheldrahtlagen ohne elektr. Spannungsauflage auf der Zaunkrone und freundseitig am Zaunfeld montiert.  

 

Bei Drahtkontakt oder –trennung entsteht eine elektrische Potenzialveränderung, die zu einer sofortigen Alarmauslösung in den Schaltanlagen am Signalzaun (feindseitig angeordenet) mit direkter Durchleitung an die FüSt im Grenzabschnitt führt. Die Auslösung bezieht sich auf ein 200m breites Zaunfeld mit einer eigenen Feldnummer. Diese Nummer (max. 3-stellig) ist beidseitig des Zauns mit einem schwarzen und weißen Schildern (15x10cm, weißes Schild freundseitig) gekennzeichnet sowie an den Anzeigedioden des GSSZ-Geräts in der FüSt und in den Grenzabschnittskarten der Grenztruppen exakt festgehalten, um die Auslöseposition präzise auszuwerten. Auf der FüSt wird der Alarm akustisch und optisch angezeigt; der „Grenzalarm“ ist ausgelöst. Die ständig bereitstehende Alarmgruppe der FüSt und in der Grenzkompanie werden durch den diensthabenden Kommandeur der Grenzsicherung gezielt an die Auslöseposition geleitet. Die anfänglich errichteten Rundumleuchten und Signalhörner sind demontiert; von der gegnerischen Seite und vor dem Auslösenden sollte der Alarm unbemerkt bleiben. Der Schutzstreifenzugang wird über in regelmäßigen Abständen angeordnete zweiflügelige Zufahrtstore ermöglicht. Die Toröffnung durch ein elektrisches Schloss kann ausschließlich durch die FüSt erfolgen. Beim Betreten bzw. verlassen des Schutzstreifens müssen sich die diensthabenden AGT über die beidseitig angeordneten Sprechsäulen des GMN oder über teilweise installierte Ruf- und Sprechsäulen („Uhu“) am Tor bei der FüSt anmelden. Die Durchfahrtsbereiche an den Toren sind teilweise durch Seilsperren und Nagelbretter zusätzlich gesichert.


Im Schutzstreifen

 

Unmittelbar am Kolonnenweg sind in regelmäßigem Abstand Beobachtungstürme aus Betonfertigteile errichtet. Die ab 1969 errichteten runden BT-11 (Bez. „11“ auf Grund der max. Anzahl der 1m hohen Turmringelemente, so gibt es auch die Bez. „BT-6“ etc.) sind bis zum Ende der DDR noch teilweise in Benutzung. In den 1970er Jahren folgen aus sicherheitstechnischen Gründen (die BT-11 durften bei Sturm nicht benutzt werden) die eckigen BT-9. Der Turmzugang erfolgt freundwärts durch eine überdachte Stahltür. Im Schacht der Turmringe sind stählerne Leitern mit ¾-Riffelblechzwischenpodesten bis zur Beobachtungskanzel montiert. Die technischen Ausstattungen und Ausrüstungen der BT-11 und -9 ähneln sich und sind spartanisch. Die technische Turmausstattung besteht ausschließlich aus einem GMN-Anschluss sowie eine Stromversorgung für das Innenlicht, den beiden Heizstrahler und den Außensuchscheinwerfer. Der Innenraum ist betongrau. Der Betonfußboden in der Beobachtungskanzel ist mit einem dunkelbraun imprägnierten Holzlattenrost belegt. Im Turm gibt es zwei hohe Stahlrohrhocker mit Schichtholzsitzfläche und -lehne (ähnlich eines Barhockers ohne Armlehne), ein Stahlrohrregal, eine Strickleiter für Notfälle und einem Verbandskasten. Im Turm ist i.d.R. ein UKW-Tornisterfunkgerät betriebsbereit aufgestellt. Die Fenster lassen sich beim BT-9 nach innen öffnen und beim BT-11 nach außen aufklappen. Der Suchscheinwerfer kann von Innen mit einem Drehgriff bedient werden, häufig ist auf der Decke eine einfarbige Windrose aufgemalt. Die Dachfläche ist über eine Luke und eine unter die Dachdecke eingeklappte Stahlleiter erreichbar. Auf dem Dach befindet sich neben dem Scheinwerfer und der Dachrandbrüstung eine UKW-Antennenanlage. 

Links: Führungsstelle im Schutzstreifen mit Alarmzug, Rechts:  Im Inneren einer FüSt in der Beobachtungsebene; ein Zugführer (Oberleutnant) des GR-15 kontrolliert die Arbeit eines Feldwebels. (Privatarchiv d. Verf.)

 

Freundseitig des gesamten Kolonnenwegs, des GSSZ und teilweise in der Tiefe des Grenzgebietes sind in einem Abstand von ca. 500m Anschlusssäulen (Betonpfosten mit Anschlussverteiler und –buchse) des erdverlegten Grenzmeldenetzes installiert. Der Anschlussverteiler zeigt immer freundwärts. Die Grenzpostenpaare führen einen Hörer zum Anschluss an die GMN-Säule mit sich. Zum Antritt des Grenzdiensts wird beim Verlassen der GK immer die Funktionstüchtigkeit dieser Postensprecheinrichtung (PSE) geprüft. Die PSE wird in der Hosenbeintasche geführt. Während des Grenzdiensts muss sich das Postenpaar beim Passieren des Anschlusspunkts immer regulär melden. Darüber hinaus kann das Postenpaar sich bei besonderen Vorkommnissen mit der FüSt unmittelbar in Verbindung setzten. Von der FüSt können dann entsprechende Maßnahmen eingeleitete werden bzw. Verbindungen zur GK oder höher hergestellt werden. Bei fehlender unmittelbarer Erreichbarkeit der Anschlusssäule in Notfällen macht sich das Postenpaar durch Handsignale (z.B. „Versuchter Grenzdurchbruch aus Richtung DDR“ = 1 x 3 Sterne Rot) bemerkbar. Im Bereich der Zugänge zum Schutzstreifen sind zusätzlich Ruf- und Sprechsäulen (sogenannte „Uhus“) installiert. Alarmgruppen und Grenzaufklärer führen zusätzlich UKW-Handfunkgeräte (z.B. RFT-U 700 oder R 126) mit. Arbeiten zivile Kräfte im Schutzstreifen konnten – trotz gültigen Passierschein für den Schutzstreifen  -  nur in Begleitung mit Grenzsoldaten ausgeführt werden.

 

Erstes Sperrelement


Am vorgelagerten Hoheitsbereich

 

Im Abstand von etwa 500m befinden sich im ca. 25m breiten vorgelagerten Hoheitsbereich der DDR die von der Grenzlinie um 5m freundseitig aufgestellte 2,20m höhe Grenzsäulen der DDR aus Stahlbeton mit konischer Spitze sowie einem Vogelabweiser aus Stahlrundstab. Feindseitig zugewendet ist ein rechteckiges DDR-Emblem aus Aluminiumguss (21 x 27 cm) eingelassen, rückseitig – auf gleicher Höhe – befindet sich eine weißes Schild (13 x 6 cm) mit schwarzer Nummerierung; die Nummer findet sich in den detaillierten Karten für den Dienstgebrauch der GT wieder und dient der Orientierung. Auf direkter Grenzlinie befinden sich bei jeglichen Richtungswechsel Grenzmarkierungssteine (quadratisch 20 cm, ca. 70 cm tief eingelassen) aus Granit mit der seitlichen Aufschrift „DDR“ und auf dem Kopf ein eingelassenes Markierungskreuz. 

 


Quelle:

- "Stand des pioniertechnischen Ausbaus der Staatsgrenze der DDR zur BRD", Stand 30.11.1985 - VVS

- "Handbuch für den Grenzdienst", Militärverlag der DDR, Berlin 1987

- "Die Grenzüberwachung der DDR", Horst Gundlach udn Wolfgang Schlicht, C.Kohlmann Druck & verlag GmbH, Bad Lauterbach

 

 

 

 

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