DIE GRENZEN DER DDR                                                                                                                                                                                        

Auf Grundlage von völker- und staatsrechtlichen Normen, der eigenen Verfassung und der abgeschlossenen Verträge mit Nachbarstaaten  verfolgt die DDR ihre Gebietshoheit und die eigene staatliche Souveränität konsequent und minutiös. Im Eigenverstänndis der DDR ist der Schutz und die Verteidigung der eigenen Territorialgrenze ein besonders wichtiger Bestandteil der sozialistischen Landesverteidigung der DDR. Die politischen Verantwortlichen in der DDR bezeichnen die Gesamtheit der Rechtsnormen zur Regulierung der Verhältnisse an der Staatsgrenze einschließlich des Verkehrs und der Kommunikation über diese sowie das darauf bergründete Tätigwerden der eingesetzten grenzssichernden Organe mit den gesellschaftlichen Kräfte als GRENZREGIME.


Die DDR-Grenzüberwachung und späteren -sicherung erfolgt an folgenden 2.752,2 km langen Grenzverläufen:

 

  • Grenzsicherung im Norden auf 322,9 km - Küsten-Basislinie (167 sm Länge der äußeren Grenze der Territorialgewässer bei einer Breite von 3 sm. Wobei das Territorialgewässer am 1. Januar 1984 von drei auf - die international üblichen - zwölf Seemeilen ausgedehnt wird.) 
  • Grenzüberwachung im Osten auf 430,9 km – Grenze zur VR Polen
  • Grenzüberwachung im Süd-Osten auf 450,1 km – Grenze zur CSSR
  • Grenzsicherung im Westen auf 1.391,9 km – Grenze zur BRD
  • Grenzsicherung an Enklave auf 43,7 km - innerstädtisch von Schildow bis Schönefeld und 112,7 km Umland– Grenze des Bezirks Potsdam zu West-Berlin 

Kennzeichnungen und Markierungen der DDR-Staatsgrenze - links an der Grenze zur BRD und rechts zur CSSR. (Abbildung aus "Handburch für den Grenzdienst" - Privatarchiv d. Verf.)

 

Drei Ausführungsarten der Staatsembleme (je ca. 21x 27 cm) für die DDR-Grenzsäulen zur wetslichen Besatzungszone bzw. später zur BRD. Links,:Aluminiumgußemblem (mit freundlicher Genehmigung der Privatsammlung S. Beier) noch ohne Staatswappen. Mitte: Kunstharzmehrschichtplatten aus den 1960er Jahren. Rechts: der typische Aluminiumguss ab den 1970er Jahren. Diese letzte Ausführung mit verdeckter Befestigung auf der Plattenrückseite wird eingeführt, da "feindseitige" Souvenierjäger und Provokateure die verschraubten Mehrschichtschilder häufig demontieren bzw. beschädigen. ( Privatarchiv d. Verf.)

 

Gefräste Mehrschichttafel (rechts) mit der Grenzsäulen-Nr. "2330" - angebracht auf der Rückseite der DDR-Grenzsäule, hier im Grenzabschnitt der 4. GK (Neuhaus-Schierschnitz) im GR-15. Auf den Meßblättern des Militärtopographischen Dienst des Ministeriums für Nationale Verteidigung (hier Blatt M-32-71 Kulmbach - Ausgabe 1985) sind die Grenzsäulennummern zur exakten Standortbestimmung festgehalten. ( Privatarchiv d. Verf.)

 

Trotz BGS-Warnschilder auf der BRD-Seite stellt sich eine unvorsichtigen Mutter mit Kind unmittelbar an einer DDR-Grenzsäule. Die Säulen befinden sich in der Regel 2 bis 5m hinter dem eigentlichen DDR-Grenzverlauf. Die Mutter mit ihrem Kind befinden sich somit auf DDR-Gebiet. In der GT-Sprachregelung handelt es sich bei dieser Situation um eine "Grenzverletzung". Wahrscheinlich erfolgte unmittelbar in dieser Situation die Zurückweisung durch einen AGT mit folgender Ansprachet: "Achtung - Hier sprechen die Grenztruppen der DDR. Ich fordere Sie auf, unverzüglich das Hoheitsgebiet der DDR zu verlassen!" Das Foto wird um 1985 durch einen Grenzaufklärer im GR-15 aufgenommen. Gut zu erkennen ist die Grenzsäulennummer auf der Rückseite der Grenzsäule. Die Säulen selbst trägt häufig als oberen Abschluss einen mittigen Stahlstab. Dieser Stab soll Vögel davon abhalten, sich auf den Säulen abzusetzten und so die Säule evtl. zu verschmutzen. Grundsätzliche wird die o.g. Grenzsäulennummer zur Lokalisierung von Vorgängen immer in den Berichten und Fotos als "GS-Nr." angegeben. Die links oben abgebildete schwarze Nummertafel ist eine Ersatztafel eines Grenzaufklärers für Instandsetzung an beschädigten bzw. entwendeten Kennzeichnungen. ( Privatarchiv d. Verf.)

  

Die völkerrechtliche Grundlage der Staatsgrenze der DDR beruht auf das Protokoll zum Abkommen zwischen der Regierung der UdSSR, der USA, Großbritannien und Frankreich über die Besatzungszonen in Deutschland und der Verwaltung von „Groß-Berlin“ vom 12. September 1944 (European Advisory Commission, EAC-Sitzung in London) sowie deren Ergänzungen vom 14. November 1944 (1. EAC-Ergänzung) und 26. Juli 1945 (2. EAC-Ergänzung). Wobei Deutschland innerhalb seiner Grenzen, wie sie am 31. Dezember 1937 bestehen, in vier Besatzungszonen aufgeteilt wird. Berlin wiederum wird als besonderes Gebiet  - entsprechend der Bezirke von „Groß-Berlin“ gemäß des Amtsblattes der Reichshauptstadt Nr. 13, vom 27. März 1938 - von allen vier Besatzungsmächten  nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Truppen gemeinsam besetzt.   

Weiter ist für die historische Bestimmung der Staatsgrenzen der DDR die Mitteilung über die Dreimächtekonferenz von Berlin „Potsdamer Abkommen“ vom 2. August 1945 ausschlaggebend. Die Oberhäupter der drei Besatzungsregierungen (UdSSR, USA und Großbritannien) stimmen darin überein, dass bis zur endgültigen Festlegung der Westgrenze Polens, die früheren deutschen Gebiete östlich der Linie, die von der Ostsee unmittelbar westlich von Swinemünde und von dort die Oder entlang bis zur Einmündung der westlichen Neiße und folgend dem Neißeverlauf bis zur tschechoslowakischen Grenze verläuft, einschließlich des Teils Ostpreußens, der nicht unter die Verwaltung der UdSSR (heutiger "Oblast Kaliningrad") und einschließlich der früheren Freien Stadt Danzig unter der Verwaltung des polnischen Staates und somit  nicht als sowjetische Besatzungszone in Deutschland zu betrachten ist.    

Der Grenzverlauf ist nicht immer eindeutig. Besonders auf den Binnengewässern gibt es immer wieder Uneinigkeiten. So z.B. auch auf der Elbe (zwischen Kilometer 472,6 bis 566,3 im Flussabschnitt zwischen Lauenburg bis Schnackenburg). Nach den ersten Festlegungen der Alliierten (Londoner Protokoll vom 12. September 1944) soll die Grenzlinie am nördlichen - also auf SBZ-Seite - Ufer verlaufen. Auf Anfrage der Bundesregierung an den britischen Frontier-Service am 2. August 1952 wird erklärt, daß "der britische Standpunkt immer der gewesen ist, daß die Demarkationslinie am Nordufer verläuft". Mit Übergabe der Staatsgewalt an Bonn am 25. Mai 1950 gehen die Hoheitsrechte der westlichen Besatzungsmächte in ihren Zonen an Bonn über, damit auch der in der britischen Zone gelegene Elbabschnitt mit allen Kontrollrechten auf der gesamten Stombreite. Die DDR beruft sich aber zeitgleich auf die allgemeinen völkerrechtlichen Bestimmungen, nach der die tiefste Stelle eines fließenden Gewässers – die sogenannten Grube – den Grenzverlauf bildet, wenn es keine anderen Vereinbarungen zwischen zwei Staaten gibt. Die Grube liegt bei der Elbe etwa in der Flussmitte. Die BRD argumentiert, daß es hierbei nicht um eine völkerrechtliche Frage gehe, sondern allein um die Interpretation des Willens der Alliierten. Die DDR wiederum erwidert, daß mit dem Tage der Gründung der BRD und DDR der Wille der Alliierten nicht mehr, sondern das Völkerrecht als höherrangig geltendes Recht, entscheidend ist. Beide Seiten provozieren in diesem Streit immer wiederkehrend eine Eskalation; besonders am 18. Oktober 1966 ("Kugelbake-Konflikt") und am 29. Juli 1977 durch DDR-seitig unabgestimmte Setzung von Grenzmarkierungstonnen auf Flußmitte, welche kurz darauf wieder entfernt werden mussten.

Die DDR ermüdet nicht, immer wieder im die territorialen Integrität und die staatlichen Souveränität als  Grundvoraussetzung für ein friedliches Zusammenleben der Völker auszudrücken. Die Artikel 1 und 2 der UN-Charta, insbesondere die darin enthaltenen Grundsätze der Souveränität, der friedlichen Regelung von Streitfällen und des Verbots der Gewaltanwendung oder -androhung deklariert völkerrechtlich bindend, dass alle effektiv existierende Staaten unabhängig von der Gesellschaftsform rechtlich gleich sind, dass sie alle sich aus ihrer Souveränität ergebenden Rechte genießen und dass ihre territoriale Integrität und politische Unabhängigkeit von allen anderen Staaten und Personen zu achten sind. Daher hätte keine Regierung das Recht, etwa auf Grund der Nichtanerkennung eines Staates selbst zu entscheiden, ob diese Grundsätze in ihren Beziehungen zu ihm anwenden will oder nicht.

Die im Zusatzprotokoll zu Artikel 7 des Grundlagenvertrags (21. Dezember 1972)  zwischen der BRD und der DDR vereinbarte Bildung der gemeinsamen Arbeitsgruppe Grenzkommission beginnt 1973 ihre Vermessungstätigkeit (mittels Geodäten der örtlichen Katasterämter) mit Grenzmarkierungen an der Staatsgrenze bei Lübeck. In den folgenden Monaten wird der Grenzverlauf von der Lübecker Bucht bis nach Hof (1392,9 km) exakt vermessen, markiert (Grenzsteine bzw. hölzerne Pfähle) und in einer zeichnerischen Grenzdokumentation (Maßstab 1:5.000 bzw. Übersichtskarten 1:25.000) festgehalten. Am 8. April 1976 endet mit Unterzeichnung der letzten Grenzkarte in München die dreijährige Arbeit der Arbeitsgruppe. Die Forderung nach regelmäßiger Kontrolle der Grenzmarkierungen (alle 15 Jahre) führt Mitte/Ende der 1980er Jahre zu ersten gemeinsamen Kontrollbegehungen im Grenzverlauf. Bei diesen Routinekontrollen sollen verschobene oder verschwundene Markierungen korrigiert bzw. wiederhergestellt werden. 

DDR-Erinnerungsgeschenk an ein Mitglied der Arbeitsgruppe "Grenzkommission DDR/BRD" aus dem Jahre 1976. (Privatarchiv d. Verf.)

 

Foto zur Erinnerung an den Vermessungsarbeiten der Grenzkontrollkommisssion im Grenzabscghnitt des GR-15. (Privatarchiv d. Verf.)
 

Feindseitige Vermessungsarbeiten am GZI unter der Aufsicht von zwei Grenzaufklärer im Grenzabschnitt Ullitz der 9.GK in Posseck des GR-10. (Privatarchiv d. Verf.)

 

Auch heute noch stellt sich immer wieder die Fragen zu Begründung der besonderen Sicherung der ehemaligen Demarkationslinie zwischen den westlichen und der östlichen Besatzungsmächte in Deutschland (1945-1949), der späteren Staatsgrenze zwischen der BRD und der DDR (1949-1990) bzw. dem geteilten Berlin (1961-1990) Seitens der DDR. Nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland und im besetzten Teilen von Europa wird das europäische Territorium sehr schnell in zwei politische und militärische Machtsysteme getrennt. Besonders die Grenzen der sozialistischen DDR und Tschechoslowakei unmittelbar zur kapitalistischen BRD und der Westsektoren Berlins innerhalb der DDR werden zur Trennlinie zwischen diesen beiden Systemen. In der Zeit des „Kalten Krieges" wächst zwischen den militärischen Bündnissen „NATO“ und „Warschauer Pakt“ der „Eisernen Vorhang“. In dieser militärstrategischen Bedeutung definierte sich die Aufgaben der GT im System der militärischen Bündnisverpflichtung des Warscheuer Pakts und Landesverteidigung der DDR.  

Die Aussichtlosigkeit und Sinnlosigkeit eines Kernwaffenkrieges lässt die Wahrscheinlichkeit eines konventionellen Kriegsverlaufs – oder zumindest eines konventionellen Kriegsbeginns – immer weiter wachsen. Beidseitig der Trennlinie zwischen Ost und West wird aufgerüstet; der direkte gemeinsame Grenzverlauf ist Verteidigungs- und Angriffslinie zugleich. Auf Seite der BRD sind 23 Heeresdivisionen der NATO und auf dem DDR-Territorium 18 GSSD- sowie 6 NVA-Divisionen stationiert.  

Die Sowjetunion erinnerte sich bleiernd an den bitteren Erfahrungen zu Beginn des Großen Vaterländischen Krieges (1941-1945). Der eigene grenznahe Raum ist zu Beginn des Überfalls der Deutschen Wehrmacht nicht ausgebaut, und die sowjetischen Grenztruppen sind zur Führung von Gefechtshandlungen nicht hinreichend ausgebildet. Auch die folgenden Verteidigungslinien der sowjetischen Landstreitkräfte werden durch die Deutsche Wehrmacht zu Beginn dieses Angriffs überrannt. Auf Grundlage dieser historischen Erfahrung der Sowjetunion sollen die GT an der Trennlinie zwischen Ost und West inmitten Europas zur Anfangsperiode eines von einem potenziellen Aggressor mit konventionellen Waffen überraschend ausgelösten Zwischenfalls, einer Provokation, einer Grenzverletzung, eines Grenzkonflikts oder eines Krieges die unmittelbare Abwehr und Verteidigung im Rahmen des Bündnisfalls übernehmen. Im Zusammenwirken mit der NVA und der GSSD solle ggf. die Deckungs- und Verteidigungsgruppierungen des Warschauer Pakts anschließend formiert und der militärische Gegenschlag ausgeübt werden. 


Die GT der DDR sollen hiernach:

  • die Unverletzlichkeit der Staatsgrenze zu jeder Zeit gewährleisten, 
  • Grenzprovokationen nicht zulassen, 
  • die im Grenzgebiet der DDR zur BRD und zu Berlin-West festgelegten Ordnungen aufrecht erhalten, 
  • das Leben und das Eigentum der Bevölkerung sowie das Volkseigentum in den Grenzgebieten schützen, 
  • den grenzüberschreitenden Verkehr in Hinsicht der erforderlichen Ruhe und Sicherheit sicherstellen. 

Hierbai hat die GT Aktivitäten der militärischen und polizeilichen Kräfte der BRD und der NATO ständig aufzuklären, die Sicherheit und Ordnung im eigenen Grenzgebiet und des Waren- / Personenverkehrs an den Grenzübergangsstellen zu gewährleisten sowie jegliche Grenzprovokationen, Grenzverletzungen bzw. –durchbrüche im eigenen Grenzterritorium abzuwehren.   

An dieser Stelle sei nicht verschwiegen und zutiefst zu bedauern, dass - nach Angaben der „Arbeitsgemeinschaft 13. August e.V.“ - zwischen den vierzig Jahren des DDR-Existenz (1949 bis 1989) an der Berliner Grenze 202 Personen, an der DDR-Westgrenze 331 Personen, bei Ostseefluchten 181 und an den Westgrenzen von sozialistischen Drittländern 51 Personen ums Leben gekommen sind. Die Todesfälle sind durch Minen- und Selbstschussanlagen, gezielte Schüsse, Kräfteverlust und Herzversagen verursacht worden. Einige wenige Flüchtlinge begehen in Angesicht ihres Scheiterns aber auch Selbstmord. Die o.g. AG-Todesfallangaben sind bisher wissenschaftlich nicht abschließend aufgearbeitet und bestätigt. So sollten diese Angaben als Annäherung zur traurigen Geschichte der Opfer der innerdeutschen Grenze angesehen werden.  

Ebenfalls nicht verschwiegen sein sollen - die zur DDR-Zeit offiziell zu Helden stilisierten GT-Angehörigen (z.B. Uffz. Egon Schultz) - die uniformierten  Grenzopfer auf der DDR-Seite. 27 - meist sehr junge - Männer im Dienst der DGP bzw. GT lassen ihr Leben im Grenzdienst zur Zeit des Kalten Krieges. 

 


Quellen:


- "Grenzsicherung und Grenzpolizei der DDR", Militärhistorisches Institut der DDR, Potsdam 1974 

- "Wo sie gefallen sind, stehen wir", Politische Verwaltung der Grenztruppen der DDR, 1983

- "Handbuch für den Grenzdienst", Militärverlag der DDR, Berlin 1987

- "Wörterbuch der Staatssicherheit" Siegfried Suckut, Ch. Links Verlag, Berlin 2001,

-  "Grenzbrigade Küste" Ralp-Ingo Unger, Militärverlag, Berlin 2011 

 

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