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DIE GRENZEN DER DDR                                                                                                                                                                                        

Die heutigen Staatsgrenzen sind politische Trennlinien zwischen zwei Nachbarstaaten oder einem freien Gewässer. Die "12-Meilen-Zone" gem. UN-Seerechtsübereinkommen vom 10. Dezember 1982 schließt  nach der Küsten-Basislinie das Küstengewässer als Hoheitsgebiet des jeweiligen Staates ein. Nach diesem eigenen Gewässer können in einer Entfernung von weiteren 12 Meilen  im Bereich der sogenannten "Anschlusszone" die entsprechenden Staatsorgane  bei Straftaten innerhalb des eigenen Gewässers Kontrollen durchführen - im Rahmen der Grenzsicherung der DDR sprach man hierbei von "Nacheile" innerhalb von 12 Seemeilen = ca. 22 km. Im Allgemeinen fallen staatliche Grenzen auch mit den Grundstücksgrenzen des privaten oder öffentlichen Eigentums zusammen. In den vergangenen einhundert Jahren wurde in den meisten Ländern eigene Grenzschutzorgane zur Sicherung der Grenzen und zum Schutz der eigenen Bevölkerung strukturiert und organisiert; in der Regel wird zu Friedenszeiten jenen Organen diese Aufgaben nahezu ausnahmslos übergeben. Beruhend auf völker- und staatsrechtliche Grundlagen definierte auch die DDR in Form seiner staatliche Souveränität ihre Gebietshoheit an den - folgenden - eigenen Staatsgrenzen (ca. 2.820 km): 

  • 310 km - Küsten-Basislinie (Nord - 167 sm Länge der äußeren Grenze der Territorialgewässer bei einer Breite von 3 sm. Wobei das Territorialgewässer 1984 von drei auf - die international üblichen - zwölf Seemeilen ausgedehnt worden.) 
  • 450 km – Grenze zur VR Polen (Ost)
  • 460 km – Grenze zur CSSR (Süd-Ost)
  • 1.440 km – Grenze zur BRD (Süd-West / West)
  • 160 km – Grenze zu Westberlin (Enklave) 

Kennzeichnungen und Markierungen der DDR-Staatsgrenze - links an der Grenze zur BRD und rechts zur CSSR. (Abbildung aus "Handburch für den Grenzdienst" - Privatarchiv d. Verf.)

Zwei Ausführungsarten der Staatsembleme (je ca. 21x 27 cm -) auf der Vorderseiten ("feindseitig") der DDR-Grenzsäulen an der Grenze zur BRD; links in der Kunstharzmehrschichtplatten-Ausführungsart aus den 1960`er Jahren und rechts aus den 1970`er Jahren in Aluminiumguss. Die Aluminiumemblemen mit verdeckter Befestigung wurden eingeführt, da BRD-seitige Souvenierjäger die verschraubten Mehrschichtschilder häüfig demontiert oder zumindest beschädigt hatten. In den 1950`er Jahren gab es noch eine weitere Ausführungsart aus geprägten Blech - siehe Rubrik "Zeittafel - 1956" - der Verfasser bittet um Mithilfe zum Auffinden eines solchen Schildes bzw. Frontalfoto dieses frühen Emblems für die Grenzsäulen. ( Privatarchiv d. Verf.)

Gefräste Mehrschichttafel (rechts) mit der Grenzsäulen-Nr. "2330" - angebracht auf der Rückseite der Grenzsäule, hier im Grenzabschnitt der 4. GK (Neuhaus-Schierschnitz) im GR-15. Auf den Meßblättern des Militärtopographischen Dienst des Ministeriums für Nationale Verteidigung (hier Blatt M-32-71 Kulmbach - Ausgabe 1985) sind die Grenzsäulennummern zur exakten Standortbestimmung festgehalten. ( Privatarchiv d. Verf.)

Trotz BGS-Warnschilder auf der BRD-seite stellt sich eine unvorsichtigen Mutter mit Kind unmittelbar an einer DDR-Grenzsäule. Die Säulen befanden sich in der Regel zwischen 2-5m hinter dem eigentlichen DDR-Grenzverlauf. Die beiden Personen befinden sich faktisch auf DDR-Gebiet; in der GT-Dienstsprache handelte es sich bei dieser Situation schon um eine "Grenzprovokation"  / "Grenzverletzung". Das Foto wurde protokollarisch durch einen Grenzaufklärer im GR-15 erstellt. Gut zu erkennen ist die Grenzsäulennummer auf der Rückseite der Grenzsäule. Die Säulen selbst trugen häufig als oberen Abschluss einen mittigen Stahlstab, dieser sollte Vögel davon abhalten, sich auf den Säulen abzusetzten und so die Säule evtl. zu verschmutzen. Grundsätzliche wurde die o.g. Grenzsäulennummer zur Lokalisierung von Vorgängen immer in den Berichten und Fotos als "GS-Nr." angegeben. Die links oben abgebildete schwarze Grenzsäulennummertafel ist eine Ersatztafel für Grenzaufklärer bei Ersatzmaßnahmen an beschädigter bzw. entwendeter Kennzeichnungen. ( Privatarchiv d. Verf.)  

Die völkerrechtliche Herausbildung der Staatsgrenze der DDR beruhte auf das Protokoll zum Abkommen zwischen der Regierung der UdSSR, der USA, Großbritannien und Frankreich über die Besatzungszonen in Deutschland und die Verwaltung von „Groß-Berlin“ vom 12.09.1944 (European Advisory Commission, EAC-Sitzung in London) sowie dessen Ergänzungen vom 14.11.1944 (1. EAC-Ergänzung) und 26.07.1945 (2. EAC-Ergänzung). Wobei Deutschland innerhalb seiner Grenzen, wie sie am 31.12.1937 bestanden, für Besatzungszwecke in vier Zonen aufgeteilt, und von denen jeder der vier Mächte eine zugeteilt wurde. Berlin wiederum wurde als besonderes Gebiet  - entsprechend der Bezirke von „Groß-Berlin“ gemäß des Amtsblattes der Reichshauptstadt Nr. 13, vom 27.03.1938 - von allen vier Mächten  nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Truppen gemeinsam besetzt.  

Des Weiteren ist für die historische Bestimmung der Staatsgrenzen der DDR die Mitteilung über die Dreimächtekonferenz von Berlin „Potsdamer Abkommen“ vom 02.08.1945 ausschlaggebend. Die Oberhäupter der drei Besatzungsregierungen (UdSSR, USA und Großbritannien) stimmten darin überein, dass bis zur endgültigen Festlegung der Westgrenze Polens, die früheren deutschen Gebiete östlich der Linie, die von der Ostsee unmittelbar westlich von Swinemünde und von dort die Oder entlang bis zur Einmündung der westlichen Neiße und folgend dem Neißeverlauf bis zur tschechoslowakischen Grenze verläuft, einschließlich des Teils Ostpreußens, der nicht unter die Verwaltung der UdSSR (heutiger "Oblast Kaliningrad") und einschließlich der früheren Freien Stadt Danzig unter der Verwaltung des polnischen Staates und somit  nicht als sowjetische Besatzungszone in Deutschland zu betrachten war.

Die Bestimmung des Grenzverlaufs war nicht immer geklärt. Besonders auf den Binnengewässern gab es immer wieder Uneinigkeiten. So z.B. auch auf der Elbe (zwischen Kilometer 472,6 bis 566,3 im Flussabschnitt zwischen Schnackenburg – Lauenburg). Nach den ersten Festlegungen der Alliierten (Londoner Protokoll vom 12. September 1944) sollte die Grenzlinie am nördlichen - also auf SBZ-Seite - Ufer verlaufen. Auf  Anfrage der Bundesregierung an den britischen Frontier-Service am 2. August 1952 wurde erklärt, daß "der britische Standpunkt immer der gewesen ist, daß die Demarkationslinie am Nordufer verläuft". Mit Übergabe der Staatsgewalt an Bonn am 25. Mai 1950 gingen die Hoheitsrechte der westlichen Besatzungsmächte in ihren Zonen an Bonn über, damit auch der in der britischen Zone gelegene Elbabschnitt mit allen Kontrollrechten auf der gesamten Stombreite. Die DDR berief sich aber zeitgleich auf die allgemeinen völkerrechtlichen Bestimmungen, nach der die tiefste Stelle eines fließenden Gewässers – die sogenannten Grube – den Grenzverlauf bildet, wenn es keine anderen Vereinbarungen zwischen zwei Staaten gibt. Die Grube liegt bei der Elbe etwa in der Flussmitte. Die BRD argumentierte, daß es hierbei nicht um eine völkerrechtlliche Frage gehe, sondern allein um die Interpretation des Willens der Alliierten. Die DDR wiederum formulierte, daß mit dem Tage der Gründung der BRD und DDR der Wille der Alliierten nicht mehr, sondern das Völkerrecht als höherrangig geltendes Recht, entscheidend ist. Beide Seiten provozieren in diesem Streit immer wiederkehrend eine Eskalation; besonders am 18. Oktober 1966 ("Kugelbake-Konflikt") und am 29. Juli 1977 durch DDR-seitig unabgestimmte Setzung von Grenzmarkierungstonnen auf Flußmitte, welche kurz darauf wieder entfernt werden mussten.

Auch heute noch stellt sich immer wieder die Fragen zu Begründung der besonderen Sicherung der ehemaligen Zonengrenze, der späteren Staatsgrenze zwischen der BRD und der DDR (1945-1990) bzw. der Teilung Berlins (1961-1990). Nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland und in Europa wurde das europäische Territorium sehr schnell in zwei politische und militärische Machtssysteme getrennt. Besonders die Grenzen der sozialistischen DDR und Tschechoslowakei unmittelbar zur kapitalistischen BRD und Westberlin wurde zur Trennlinie zwischen diesen beiden Systemen. In der Zeit des „Kalten Krieges" erwuchs zwischen den militärischen Bündnissen „NATO“ und „Warschauer Pakt“ so der „Eisernen Vorhang“. In dieser militärstrategischen Bedeutung definierte sich Platz, Rolle und Aufgaben der Deutschen Grenzpolizei / Grenztruppen im System der militärischen Bündnisverpflichtung und Landesverteidigung der DDR. 

Die Aussichtlosigkeit und Sinnlosigkeit eines Kernwaffenkrieges ließ die Wahrscheinlichkeit eines konventionellen Kriegsverlaufs – oder zumindest eines konventionellen Kriegsbeginns – immer weiter wachsen. Beidseitig der Trennlinie zwischen Ost und West wurde aufgerüstet; der Grenzverlauf war Verteidigungs- und Angriffslinie zugleich. Auf Seite der BRD waren 23 Heeresdivisionen der NATO und auf dem DDR-Territorium 18 GSSD- sowie 6 NVA-Divisionen stationiert.

Die Sowjetunion erinnerte sich bleiernd an den bitteren Erfahrungen zu Beginn des Großen Vaterländischen Krieges (1941-1945). Der eigene grenznahe Raum war zu Beginn des Überfalls der Deutschen Wehrmacht nicht ausgebaut gewesen, und die sowjetischen Grenztruppen waren zur Führung von Gefechtshandlungen nicht hinreichend ausgebildet. Auch die folgenden Verteidigungslinien der sowjetischen Landstreitkräfte wurden durch die deutschen Truppen zu Beginn dieses Angriffs überrannt. Auf Grundlage dieser historischen Erfahrung und strategischen Vermutung sollten die Grenztruppen der DDR an der Trennlinie zwischen Ost und West zur Anfangsperiode eines von einem potenziellen Aggressor mit konventionellen Waffen überraschend ausgelösten Zwischenfalls, einer Provokation, einer Grenzverletzung, eines Grenzkonflikts oder eines Krieges die unmittelbare Abwehr und Verteidigung übernehmen. Im Zusammenwirken mit der NVA und der GSSD sollte ggf. die Deckungs- und Verteidigungsgruppierungen des Warschauer Pakts anschließend formiert und der militärische Gegenschlag ausgeübt werden. 

Somit hatten die Grenztruppen der DDR Aktivitäten von Kräften der NATO und der BRD ständig aufzuklären, die Sicherheit und Ordnung im eigenen Grenzgebiet und des Waren- / Personenverkehrs an den Grenzübergangsstellen ständig zu gewährleisten sowie Grenzprovokationen, beiderseitige Grenzverletzungen bzw. –durchbrüche und Einbrüche im eigenen Grenzterritorium abzuwehren bzw. zu verhindern.  

An dieser Stelle sein nicht verschwiegen, dass nach Angaben der „Arbeitsgemeinschaft 13. August e.V.“ zwischen den vierzig Jahren des DDR-Existenz (1949 bis 1989) an der Berliner Grenze 202 Personen, an der DDR-Westgrenze 331 Personen, bei Ostseefluchten 181 und an den Westgrenzen von sozialistischen Drittländern 51 Personen ums Leben kamen. Die Ursache der Todesfälle liegt an Minen- und Selbstschussanlagen, gezielte Schüsse, Kräfteverlust und Herzversagen. Einige wenige Flüchtlinge haben in Angesicht ihres Scheiterns aber auch Selbstmord begangen. Die o.g. AG-Todesfallangaben sind bis dato nicht wissenschaftlich abschließend aufgearbeitet und bestätigt. So sollten diese Angaben als Annäherung zur äußerst traurigen Geschichte der Opfer der innerdeutschen Grenze angesehen werden. Ebenfalls nicht verschwiegen sein sollen - die zur DDR-Zeit sicherlich zu Helden stilisierten GT-Angehörigen (z.B. Uffz. Egon Schultz) aber in der Realität Nachbar, Freund und Familienvater - die uniformierten  Grenzopfer auf der DDR-Seite. 27 junge Männer im Dienst der DGP und GT ließen Ihr Leben im Grenzdienst zur Zeit des Kalten Krieges zwischen 1949 und 1985 und zwischen Ost und West. 


Quelle:

- "Wo sie gefallen sind, stehen wir", Politische Verwaltung der Grenztruppen der DDR, 1983

- "Handbuch für den Grenzdienst", Militärverlag der DDR, Berlin 1987

- Ralp-Ingo Unger "Grenzbrigade Küste", Militärverlag, Berlin 2011

 

 

 

               

grenzkommando@aol.de